BSL-News 52 — Gerhard zähmt den Drachen

"Es galt, die gespenstische Dämmerung von Nebelwiesen, wo Unholde hausen und Drachen sich träge zum Wasser wälzen - das letzte Gemunkel eines Natur-Märchen-Glaubens - mit der tiefen Inbrunst ernster Gebete im Dom zu vereinen." So drückte der aus Wien stammende Fritz Lang das Programm seiner fünfstündigen Nibelungen Verfilmung aus dem Jahre 1924 aus. Den Drachen gab es wirklich, er wurde von 16 Männern bewegt und spuckte sogar Feuer. Die Breitenseer Lichtspiele - BSL - zeigen das Epos in zwei Teilen am Donnerstag den 27. und Freitag, den 28. Dezember jeweils um 20:30 Uhr und Gerhard Gruber wird am Piano begleiten.

Lang wollte das Epos nicht als psychologisches Drama gestalten, sondern ein deutsches Heldenlied bewusst in stilisierten Bildern erzählen. Über seinen Ansatz sagt er selbst: "Es musste mir also darauf ankommen, in einer Form, die das Heilig-Geistige nicht banalisierte, mit den Nibelungen einen Film zu schaffen, der dem Volke gehören sollte und nicht, wie die "Edda" oder das mittelhochdeutsche Heldenlied, einer im Verhältnis ganz geringen Anzahl bevorzugter und kultivierter Gehirne."

Dass sich das deutsche Publikum der Nachkiregszeit so für den Film begeisterte, mag nicht nur am angeblich „urdeutschen“ Sagenstoff liegen, sondern auch an der im Film symbolhaft verarbeiteten "Dolchstoß-Legende". Demnach wurden Parallelen gezogen zwischen dem vom Feind unbesiegten deutschen Heer, welches nur durch inneren Verrat der Sozialdemokraten kapitulieren musste (so die rechte Propaganda) und dem hinterrücks ermordeten Siegfried. Viele Menschen haben das damals sofort mit der Niederlage im Ersten Weltkrieg in Verbindung bringen können.

Der Film fügte sich nicht nur in eine rassistische Alltagsideologie ein, wenn Siegfried als blonder arischer Recke gezeigt wird, während die Hunnen als wilde, degenerierte Untermenschen darherkommen, die der mannhaften Kraft der Burgunder nicht widerstehen können, und erst mit dem „unfairen“ Einsatz von Feuer den Sieg davontragen. Auch die "Blut und Boden"-Rhetorik der nationalsozialistischen Propaganda findet man im Film wieder, als Kriemhild die „heilige Erde“ einsammelt, die von Siegfrieds Blut „getrunken" hat.

Wie weit Fritz Lang diese Motive bewusst einsetzte, lässt sich heute schwer beurteilen. Hitler und Göhring bewunderten seine Nibelungen-Verfilmung, Göbbels wollte den Halbjuden Lang ob seiner Verdienste zum Reichs-Filmintendanten machen, aber Lang war offenbar nicht wohl bei der Sache und ging ins Exil, 1934 nach Hollywood, wo er die Anti-Nazi Liga mitbegründete.

Im Jahre 1959, 35 Jahre nach der Uraufführung, urteilte Lang selbstkritisch: „Ich glaube, dass der Film sich zu groß wollte, um minuziös die Seelen zu zeigen.“ Vielleicht ist es heute, nach mehr als 80 Jahren, wieder möglich, das Sagenhafte in diesen Filmen auszukosten, seine Ästhetik zu würdigen, ohne den völkischen Unterntönen zu erliegen.

Weitere Informationen zum Film unter www.bsl.at.tf

Weitere Highlights mit Gerhard Gruber am Piano

  • Als Lebendige hatten sie zu viel Alkohol im Blut, weshalb sie als Tote dann ziemlich lange ziemlich frisch blieben. Friedrich Wilhelm Murnau hat diesen Untoten in "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" ein Denkmal gesetzt.

  • Bevor SIE durch den "Blauen Engel" zum Star wurde und ihrem Entdecker Josef von Sternberg nach Amerika folgte, spielte SIE bereits ihre erste Hauptrolle: Marlene Dietrich in "Ich küsse Ihre Hand, Madame" von Robert Land.

  • Nochmals Marlene Dietrich - als "femme fatale" neben dem genialischen Fritz Kortner in "Die Frau, nach der man sich sehnt".

  • Ernst Lubitsch inszenierte seine Version von "Kohlhiesels Töchter" als ländliche Variante von „Der Widerspenstigen Zähmung“

  • Die "Dirnentragödie" von Bruno Rahn gehört zu jenen Berliner "Straßenfilmen", die das "Zille Milljöh" des Proletariats effektvoll thematisieren.

Das ganze Programm bis 3. Jänner


Weihnachten, 24. bis 26. Dezember 2007
Wir machen Pause und
wünschen Ihnen frohe Weihnachten und erholsame Feiertage

Donnerstag, 27. Dez
ember 2007
18:30 Uhr: Nosferatu; Piano: Gerhard Gruber
20:30 Uhr: Nibelungen - Siegfrieds Tod;
Piano: Gerhard Gruber, 143 Min.

Freitag, 28. Dezember 2007
18:30 Uhr: Ich küsse ihre Hand, Madame; Piano: Gerhard Gruber
20:30 Uhr: Nibelungen - Kriemhilds Rache; Piano: Gerhard Gruber, 149 Min.

Samstag, 29. Dezember 2007
16:30 Uhr: Cafe Electric; Piano: Gerhard Gruber
18:30 Uhr: Stadt ohne Juden; Piano: Gerhard Gruber
20:30 Uhr: Die Frau, nach der man sich sehnt; Piano: Gerhard Gruber

Sonntag, 30. Dezember 2007
16:30 Uhr: Kohlhiesels Töchter; Piano: Gerhard Gruber
18:30 Uhr: Dirnentragödie; Piano: Gerhard Gruber
20:30 Uhr: Lupin 3rd Voyage to Danger, dt.F.; Animé

Montag, 31. Dez
ember 2007
Geschlossen - Rutschen Sie gut ins neue Jahr!

Dienstag, 1. Jänn
er 2008
16:30 Uhr: Captain Tsubasa, Ep 26-30, dt.F.; Animé
18:30 Uhr: Eine venezianische Nacht; Stummfilm
20:30 Uhr: Utena la Fillette Revolutionaire, Ep 16 -20, Jap.m.dt.UT; Animé

Mittwoch, 2. Jänn
er 2008
18:30 Uhr: Golem, wie er in die Welt kam; Stummfilm
20:30 Uhr: Das Schloß im Himmel; Animé

Donnerstag, 3. Jänn
er 2008
18:30 Uhr: Tartüff; Piano: Gerhard Gruber
20:30 Uhr: Die 11 Teufel;
Piano: Gerhard Gruber

Die Breitenseer Lichtspiele sind bequem über U3 Station Hütteldorferstraße zu erreichen.
Alles Weitere über die BSL und das Programm erfahren Sie unter www.bsl.at.tf

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