Der Kinopianist Gerhard Gruber

Gerhard Gruber wurde 1951 in Aigen/Mk. (O.Ö.)nahe der tschechischen Grenze geboren. Auch heute noch ist ihm dieser karge Landstrich im Norden Österreichs lieb und teuer; für ihn bedeutet er Zurückgezogenheit und Stille im Ausgleich zum turbulenten Berufsleben.

Mit zehn Jahren "übersiedelt" er in ein Internat in Linz-Urfahr. Dort kommt er sehr früh in Berührung mit dem Stummfilm, der später eine bedeutende Rolle in seiner beruflichen Laufbahn spielen sollte. In regelmäßigen Abständen gab es an Sonntagvormittagen Stummfilmprogramm mit Buster Keaton, Laurel & Hardy und Charlie Chaplin.

Stummfilm-Aufführungen gehören in der Kulturwelt eher zu den Raritäten; "eine Ritze in der Nische", wie Gerhard Gruber es zu bezeichnen pflegt. Trotzdem ist das Begleiten von Stummfilmen für ihn seit 1988 zum zweiten beruflichen Standbein geworden.

Sein Repertoire umfasst ca. 400 verschiedene Stummfilme; Auftritte führten ihn über Österreich hinaus bereits nach Tokyo, Australien, Kroatien, Bordeaux, Hamburg. Viennale, Diagonale, Filmarchiv Austria, Österr. Filmmuseum, viele Orte in den Bundesländern und natürlich das Breitenseer Kino waren in Österreich seine Spielorte. Als Theaterkomponist war er im Jahre 2006 Nestroypreisträger.

Wichtig ist ihm, dem Publikum seine Begeisterung für diese Filme in seiner Musikbegleitung weiterzugeben, in eine Welt zu verführen, die längst untergegangen zu sein scheint und uns trotzdem immer wieder erneut berührt oder uns zum Lachen bringt.

Sei es sein Musik-Marathon beim Sommerkino 1999 "Kings of Comedy" (über 80 Filme an 17 Tagen durchgehend), die Vertonung des Stummfilmes "Die Stadt ohne Juden" (zusammen mit Adula Ibn Quadr/Geige und Peter Rosmanith/Percussion) oder die vielen Aufführungen im Metrokino des Filmarchiv Austria und bei andereren Veranstaltern - immer ist sein voller Einsatz Garant für dichte, spannende und vergnügliche Stunden.

„Es war, als wäre ich in den Film hineingefallen“

(Rohrbacher Rundschau vom 3.1.2008)
Gerhard Gruber (56), gebürtiger Aigner, macht als einziger Österreicher hauptberuflich mit seinem Klavier Musik zu Stummfilmen. Mit der Rohrbacher Rundschau hat er über seine Musik gesprochen und darüber, warum er immer live improvisiert und ohne Proben zu Filmen spielt.

Warum gerade Filmmusik?

Das Musikalische verfolgt mich seit meiner Kindheit. In meiner Zeit als Schüler habe ich viele Stummfilme im Internat gesehen. Ich habe mich sehr lange nicht als Musiker bezeichnet. Jeder Mensch macht etwas – und ich mache Musik. Ich habe ein Interesse daran, Bilder in eine andere Sprache umzusetzen. Für mich ist die Musik der normalste Weg, etwas auszudrücken. Ich sehe mich mehr als Erzähler mit Hilfe des Instrumentes, denn als Musiker.

Was ist das Besondere an der Filmmusik für einen Stummfilm?

Ein Stummfilm ist etwas Historisches, etwas Wiederbelebtes. Es geht nicht darum, Nostalgie zu verbreiten. Es ist Blödsinn zu denken, ich setzte einen Zylinder auf und setze mich mit einem Bier zum Klavier. Filme ohne Ton erfordern eine andere Aufnahme. Ich transportiere mit meiner Musik Geschehen und Emotionen für den Zuschauer. Filmmusik kann den Film aber auch zerstören. Die Musik muss dem Film dienen – nicht die Musik soll im Mittelpunkt stehen. Wenn die Person verschwindet und die Sache übrigbleibt, ist es eine gute Sache.

Was muss ein Film für Sie haben, damit er in Ihren Augen gut ist?

Er muss mich überraschen können – in irgendeiner Form. Man könnte auch sagen: überrumpeln, verführen. Ich darf nicht hinausgehen und sagen: Das kenn‘ ich alles.

Ihr Lieblingsfilm?

Das ist schwer zu sagen. Jeder gute Film ist im Moment ein Lieblingsfilm.

Gibt es für Sie auch gute Hollywood-Filme?

Es gibt schon auch gute Hollywood-Filme. Aber es ist nicht zwingend der Aufwand, der einen Film gut macht. Heute sind die Bildschnitte so schnell. In einem Stummfilm wird beispielsweise auch drei Minuten durchgedreht. Da zeigen sich fantastische Qualitäten der Schauspieler.

Wie macht man Filmmusik?

Ich habe jahrelang gespielt, ohne den Film vorher gesehen zu haben. Es ist eine Mischung aus Reaktion und Intuition. Ich darf nicht nachdenken darüber, was ich tu‘. Ich muss wissen, wie erzeuge ich Trauer oder Freude musikalisch, wie begleitet man eine Verfolgungsjagd. Bei meiner ersten Aufführung war es, als wäre ich in den Film hineingefallen. Man ist als Filmmusiker die Figuren, das Gefühl der Figuren und die Situation. Es geht darum, zu erwischen, was gerade ist. Ich spiele die Musik zu einem Film nie im Vorhinein. Ich kann das Erleben nicht vordenken – sonst müsste ich nachher nachdenken was ich vorher vorgedacht habe.

Sind Sie nervös, wenn Sie zu jedem Film live spielen?

Konzentration und Spannung auf den Moment sind wichtig, sonst kann man das im Film nachher nicht aufbauen. Es ist wie das Trippeln eines Pferdes vor dem Rennen – aber nervös? Ich bin beim Spielen nicht hilflos wie zum Beispiel ein Theaterspieler der seinen Text vergisst.

Worauf arbeiten Sie hin?

In meinem Alter arbeiten viele auf die Pension hin. Ich freue mich, dass ich mit 56 Jahren noch so viel Energie habe. Mein Hauptziel ist es, die Energie und Lust zu bewahren. Und ich möchte meine Auslandsaktivitäten
verstärken.

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